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„Unterm Hakenkreuz“

über den Alltag in Westfalen 1933-1945 im Spiegel von Amateurfilmen

„Unterm Haken­kreuz“. Eine neue LWL-Film­do­ku­men­ta­ti­on zeigt den All­tag in West­fa­len 1933–1945 im Spie­gel von Amateurfilmen

Unmit­tel­ba­re und bewe­gen­de Ein­bli­cke in die All­tags­ge­schich­te der NS-Zeit in West­fa­len-Lip­pe eröff­net eine neue Film­do­ku­men­ta­ti­on, die das LWL-Medi­en­zen­trum für West­fa­len unter dem Titel „Unterm Haken­kreuz. West­fa­len 1933–1945 im Ama­teur­film“ pro­du­ziert hat.

Dafür haben die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter des LWL-Medi­en­zen­trums zwei Jah­re lang inten­siv in ihrem Film­ar­chiv recher­chiert. Mehr als 200 pri­va­te Film­do­ku­men­te, die Film­ama­teu­re aus ganz West­fa­len-Lip­pe wäh­rend der NS-Zeit gedreht hat­ten, wur­den gesichtet.

„Ama­teur­fil­me sind eine bis­lang wenig beach­te­te Quel­le zur regio­na­len Geschich­te des ‚Drit­ten Rei­ches‘. Sie zei­gen nicht nur, wie das öffent­li­che Gesche­hen im Sin­ne der NS-Ideo­lo­gie umge­stal­tet wur­de, son­dern auch, wie sich der Natio­nal­so­zia­lis­mus sei­nen Weg bis in die pri­va­ten Räu­me der Fami­lie bahn­te“, so Prof. Dr. Mar­kus Kös­ter, His­to­ri­ker und Lei­ter des LWL-Medi­en­zen­trums für West­fa­len, der die Idee für das Pro­jekt hat­te. „Zwar lie­fern auch Ama­teur­fil­me oft genug einen insze­nier­ten Ein­blick in das All­tags­le­ben der Men­schen. Trotz­dem eröff­nen sie neue Per­spek­ti­ven auf bekann­te Fra­ge­stel­lun­gen und zei­gen zum Bei­spiel, wie schein­bar nor­mal das Leben im „Drit­ten Reich“ weiterging.“

Rund 60 Fil­me sind in die rund 70-minü­ti­ge Film­do­ku­men­ta­ti­on „Unterm Haken­kreuz“ ein­ge­flos­sen. „Bei der Recher­che zeig­ten sich natür­lich auch Leer­stel­len“, so Sebas­ti­an Kuhl­mann, der als Wis­sen­schaft­li­cher Volon­tär die Doku­men­ta­ti­on inhalt­lich umge­setzt hat. „Denn die pri­va­te Film­ka­me­ra durf­te nicht über­all dabei sein und so wur­den ins­be­son­de­re die unzäh­li­gen Ver­bre­chen des Regimes von Ama­teur­fil­mern fast nie festgehalten.“

Doch zu vie­len ande­ren Fra­ge­stel­lun­gen kön­nen Ama­teur­fil­me Aus­kunft geben: Wie drang die NS-Dik­ta­tur so schnell buch­stäb­lich bis ins letz­te west­fä­li­sche Dorf vor und war­um konn­ten die Natio­nal­so­zia­lis­ten so unge­fähr­det zwölf Jah­re regie­ren? Wie ver­än­der­ten sich der All­tag und die Fei­er­ta­ge in der west­fä­li­schen Pro­vinz? Wie wuch­sen Kin­der und Jugend­li­che in der Hit­ler-Dik­ta­tur auf? Und wel­che Aus­wir­kun­gen hat­te der Zwei­te Welt­krieg auf das Leben der Men­schen im Sie­ger- und im Sau­er­land, im Ruhr­ge­biet, in Ost­west­fa­len und im Münsterland?

Die Film­do­ku­men­ta­ti­on des LWL-Medi­en­zen­trums nähert sich die­sen Fra­gen in zehn the­ma­ti­schen Kapi­teln: Am Anfang steht das „pri­va­te Glück“, wel­ches sich in Familien‑, Frei­zeit- und Urlaubs-Auf­nah­men prä­sen­tiert. Auch in sol­chen, oft fast inti­men Bil­dern zeigt sich der schlei­chen­de Ein­bruch des Natio­nal­so­zia­lis­mus in den All­tag der Men­schen. Wei­te­re Film­ka­pi­tel wid­men sich öffent­li­chen Fes­ten und Fei­ern. Anschau­lich wird deut­lich, wie die Natio­nal­so­zia­lis­ten tra­di­tio­nel­le Schüt­zen­fes­te und Ehren­ta­ge für sich ver­ein­nahm­ten und neue Jubel­fes­te eta­blier­ten. Auch die Selbst­in­sze­nie­run­gen der Par­tei und ihrer Unter­glie­de­run­gen, wie Hit­ler­ju­gend und Reichs­ar­beits­dienst, sowie Auf­mär­sche des mili­ta­ri­sier­ten Staa­tes wur­den von Film­ama­teu­ren in den Fokus genom­men. Den bedrü­cken­den Abschluss der Film­do­ku­men­ta­ti­on bil­den Auf­nah­men vom Krieg im besetz­ten Euro­pa und in der kriegs­zer­stör­ten Heimat.

Der Film zeigt beein­dru­ckend, wie das öffent­li­che Leben im Sin­ne der NS-Ideo­lo­gie umge­stal­tet wur­de und wie der Natio­nal­so­zia­lis­mus sei­nen Weg ins Pri­vat­le­ben bahnte.

Zur Ein­füh­rung in die Film­do­ku­men­ta­ti­on und zur Nach­be­spre­chung wird der Lei­ter des LWL-Medi­en­zen­trums für West­fa­len, Prof. Dr. Mar­kus Kös­ter, anwe­send sein und für Fra­gen und Erklä­run­gen zur Ver­fü­gung stehen.